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EU-Agrarsubventionen für den Klimaschutz bisher nutzlos

100 Milliarden Euro für fast nichts: Der EU-Rechnungshof zog ein vernichtendes Fazit der EU-Landwirtschaftspolitik.

08. Juli 2020

von Daniela Gschweng

Die Agarausgaben der EU machen den zweitgrössten Teil des EU-Budgets aus. Rund ein Viertel davon war bisher für den Klima- und Umweltschutz vorgesehen – und so gut wie nutzlos. Zu diesem Schluss kam der EU-Rechnungshof in einem am 21. Juni veröffentlichten Sonderbericht.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP, englisch CAP) habe kaum Klimaschutzfunktion. Die Treibhausgasemissionen der EU seien seit 2010 nicht mehr zurückgegangen, trotz Investitionen von rund 100 Milliarden Euro im Zeitraum von 2014 bis 2020. Das gesamte Agrarbudget umfasste 374 Milliarden Euro.

Produktionszuwachs und weniger Klimagase gleichzeitig geht nicht

Sehr viel Geld also, das wirkungslos verpuffte. Es gebe eine Erklärung, warum das so sei, sagt Klaus-Heine Lehne, oberster EU-Rechnungsprüfer, im Interview mit der «Zeit»: Man könne nicht beides haben, mehr produzieren und weniger Klimagase ausstossen.

Die Situation ist paradox: Der grösste Teil der EU-Gelder geht noch immer in Direktzahlungen, die vor allem Grossbetriebe mit hoher Produktivität fördern, also ins sogenannte «Hektarengeld» und ähnliche Massnahmen. Ein anderer, kleinerer Teil soll die entstandenen Klima- und Umweltschäden abmildern. Laut Plan soll der Agrarsektor dabei bis 2050 klimaneutral sein.

Die Hälfte der Agraremissionen stammt aus der Tierhaltung

10 bis 15 Prozent der Klimaemissionen der EU gehen auf die Agrarwirtschaft zurück – ohne Lebensmittelimporte. Die Hälfte stammt aus der Tierhaltung. Die GAP ziele jedoch nicht darauf ab, die Viehbestände zu verringern, ohne gleichzeitig die Importe zu erhöhen, stellt Lehne fest.

Auch im Ackerbau gibt es Fehlanreize. 20 Prozent der Emissionen entstehen auf entwässerten Böden, die nur 2 Prozent der Böden insgesamt ausmachen. Dabei sind Feuchtgebiete für das Klima besonders wertvoll, weil sie viel CO2 speichern können. Bauern, die trockengelegtes Land bearbeiten, werden dabei aber noch mit EU-Mitteln unterstützt. Der Treibhausgasausstoss aus Dünger ist von 2010 bis 2018 sogar gestiegen.

Der EU-Rechnungshof empfiehlt unter anderem, wirksame Anreize zu schaffen, um Emissionen in Tierhaltung und Düngung zu vermindern, die Wiedervernässung von Feuchtgebieten zu fördern und zu prüfen, ob das Verursacherprinzip auch in der Landwirtschaft greife. Sonst, so das Fazit, werde es schwierig, die Klimaziele von «Netto Null» bis 2050 im Agrarsektor zu erreichen.

Grosse Änderungen sind in der kommenden Periode nicht zu erwarten

Für die nächste Förderperiode 2023 bis 2027 wird sich daran nicht viel ändern. Der jüngste Agrarhaushalt, auf den sich die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament am 25. Juni nach langen Diskussionen einigten, sieht vor, dass ab 2023 ein Fünftel der Direktzahlungen in umwelterhaltende Massnahmen investiert werden, ab 2025 dann ein Viertel. Insgesamt sind für den EU-Agrarhaushalt, der eigentlich schon 2021 hätte in Kraft treten sollen, bis 2027 ganze 387 Milliarden Euro vorgesehen.

Umweltverbände wie der WWF und Greenpeace protestierten, der grüne EU-Politiker Martin Häusling bezeichnete die neuen Förderkriterien gegenüber der «taz» als «grün verpacktes Geschenk an die Agrarindustrie».

Mit EU-Mitteln fördern, mit Steuern bestrafen

Womit er eines der Spannungsfelder sowohl der EU als auch innerhalb der EU-Länder zur Sprache bringt: Vieh- und Landwirtschaft sind für die EU-Länder unterschiedlich wichtige Einkommensquellen, einige hängen in hohem Mass von Direktzahlungen ab. Agrarpolitiker wiederrum sind häufig verbunden mit einer Vielzahl an Agrarorganisationen, die erwarten, dass ihre Interessen vertreten werden.

Im Sinne des Klimas bei der Umsetzung der Agrarförderkriterien auf die Ausgestaltung in den EU-Ländern zu hoffen, könnte deshalb fehlschlagen. Umso mehr, als das Thema eilt. Ein bestimmtes Vorgehen mit EU-Mitteln zu fördern, um es danach durch Steuern wieder abzubremsen, sei nicht Sinn der Sache, sagt Lehne. «Technisch ist alles möglich, man muss es politisch nur wollen» findet der Jurist. Er bemängelt aber auch die fehlende Differenzierung zwischen den agrarwirtschaftlich sehr verschiedenen Regionen der Europäischen Union und stellt ein «enormes Beharrungsvermögen» der Agrarwirtschaft fest.

Bleiben als letzte Instanz noch die Konsumentinnen und Konsumenten, an die die Politik appellieren kann. Was genauso absurd ist, denn diese bezahlen die EU-Fördermittel ja mit.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Daniela Gschweng

ist freie Journalistin und schreibt mitunter für den Infosperber, die TagesWoche und die Badische Zeitung.

 

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