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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Zeit-Fragen und Infosperber.ch. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien! Die Rechtschreibung dieses Artikels richtet sich nach der schweizerischen Schreibweise.
Der Ukraine-Krieg oder die historische Niederlage des Westens
Die Ukraine wurde zur Schlachtbank geführt. Deutschland ist der grösste ökonomische Verlierer. Wir alle werden die Zeche zahlen.
9. März 2025
von Patrick Baab
Sich über eine andere Sicht informieren
upg. Laut US-Präsident Donald Trump hat Präsident Putin die Ukraine in erster Linie deshalb angegriffen, weil Russland an seinen Grenzen weder die Nato noch US-Raketen haben will. Putins Ziel sei es nicht, die ganze Ukraine zu kontrollieren, geschweige denn den baltischen Staaten und Polen Land wegzunehmen.
Diese Ansicht teilt der langjährige ARD-Journalist Patrik Baab. Er hatte im Donbas von beiden Seiten der Front berichtet und befasst sich weiter intensiv mit dem Krieg. Es komme Europa teuer zu stehen, dass der Westen keine Rücksicht genommen habe auf die Sicherheitsbedürfnisse Russlands.
Gehen wir einmal davon aus, dass es Putin tatsächlich darum geht, die Nato und US-Raketen nicht an Russlands Grenzen heranzulassen – so wie die USA keine russischen oder chinesischen Militärstützpunkte in Lateinamerika wollen oder nicht einmal chinesische Firmen am Panamakanal akzeptieren.
Wenn das der Fall ist, braucht eine militärisch neutrale Ukraine keine weiteren Sicherheitsgarantien. Und das Aufrüsten in Westeuropa ist hinausgeworfenes Geld.
Die Nato und der militärisch-industrielle Komplex, der an Waffenverkäufen interessiert ist, sowie die von ihm finanzierten Think-Tanks sehen es anders und lobbyieren für eine massive Aufrüstung.
Um zu überzeugen, stellen sie die Vorgeschichte des Krieges einseitig dar. Und sie verbreiten in fast allen Medien, dass Russland ein imperialistisches Land sei, dass Putin die alte Sowjetunion wieder herstellen wolle und den Westen mit einem einseitigen Cyber- und Destabilisierungskrieg bedrohe. Russland ergreife jede nächste Gelegenheit, um nicht nur die ganze Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen, sondern auch um Polen und die baltischen Staaten anzugreifen. Gegen diese Gefahr müssten die Regierungen Europas aufrüsten.
Über diese Sichtweise informieren grosse Medien regelmässig. Gegenargumente werden vorschnell weggewischt, weil sie von Putin stammen würden.
Als ARD-Reporter hatte Patrik Baab Zustände in Russland immer wieder kritisiert. Doch die westliche Darstellung zur Ukraine hält er in seinem Buch «Auf beiden Seiten der Front» für verzerrt und teilweise tatsachenwidrig. Dafür wurde er kritisiert und von Medien gemieden. Doch auch seine Sicht gehört – als Ergänzung zu dem, was wir aus grossen Medien erfahren – in die öffentliche Diskussion. Deshalb dokumentieren wir im Folgenden längere Auszüge aus seinem Vortrag vom 15. Februar.
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Der Westen hat den Krieg in der Ukraine verloren

Das Telefonat von US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 12. Februar 2025 war ein Paukenschlag. Man redet wieder miteinander auf Augenhöhe. Ein Treffen in Saudi-Arabien ist geplant. Der US-Präsident erklärte, er könne sich bald mit Putin treffen.1 Am 18. Februar sagte er auf «CNN», dass er die Europäer nicht am Verhandlungstisch haben will. Trump wörtlich:
«Ich werde mit niemandem verhandeln, der den Konflikt verlängern will. Ich werde mit niemandem verhandeln, der weitere Waffen schickt. Ich werde mit niemandem verhandeln, der versucht, weitere Munitionsinitiativen durchzusetzen. Ich werde mit niemandem verhandeln, der versucht, den Konflikt zu verlängern. Ich werde über den Frieden verhandeln, obwohl dieses Wort in der EU offensichtlich stark zensiert wird.»2
[Red. Im Sender «CNN» erklärte Präsident Trump am 26. Februar 2025: «Die Nato ist wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb das Ganze anfing.»]
US-Aussenminister Marco Rubio traf seinen russischen Amtskollegen Lawrow in Riad. Die wichtigsten anvisierten Punkte:
- Feuerpause
- Neuwahlen in der Ukraine
- Friedensabkommen
Die Sanktionen können mit dem Friedensschluss aufgehoben werden. Die diplomatischen Beziehungen werden normalisiert.3 Beide Seiten versuchen, eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Rubio erklärte, dass die Europäer schon irgendwann eingebunden würden, sie hätten ja schliesslich Sanktionen verhängt.4 Zur deren Aufhebung ist Druck aus Washington erforderlich, da in Brüssel ein einstimmiger Beschluss herbeigeführt werden muss.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar wurden, wie mir ein Teilnehmer süffisant berichtete, über Nacht die Reden umgeschrieben. Der «Tages-Anzeiger» spricht von einem «radikalen Kurswechsel».5 Medien und deutsche Politiker sprechen von «Verrat».6
Vieles bleibt derzeit noch vage. Doch eines ist klar: Der Westen hat den Krieg in der Ukraine verloren. Die Kriegstreiber in der Politik prallen auf den harten Boden der Tatsachen. Grosse Medien werden aus ihrer Kriegshysterie herausgerissen wie ein schlafender Betrunkener, der mit einem Eimer kalten Wassers zur Ernüchterung gebracht wird.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth will den Wahn beendet, der den Krieg am Laufen gehalten hat. Die wesentlichen Eckpunkte:
- Die Ukraine wird die verlorenen Gebiete nicht zurückbekommen. Dies sei ein «unrealistisches Ziel».7
- Die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ist vom Tisch.8 Auch dies sei «kein realistisches Verhandlungsergebnis». Damit ist klar: Die Ukraine bleibt neutral.
- Die USA gewähren Kiew keine Sicherheitsgarantien. Es wird keine US-Truppen in der Ukraine geben. Sie sehen die Europäer in der Pflicht, nicht die Nato nach Art. 5 des Nato-Vertrages.9 Washington will den Krieg und seine Folgekosten europäisieren.
Weit über 100’000 Tote und noch viel mehr Schwerverletzte
Im grössten und blutigsten militärischen Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es Hoffnung auf Frieden. Noch wird an einer Frontlinie von mehr als 1300 Kilometern überall heftig gekämpft. Allein auf ukrainischer Seite dürften inzwischen 600’000 Soldaten gefallen sein, auf russischer Seite mehr als 100’000.
Mindestens so viele Menschen wurden schwer verletzt, haben Arme oder Beine verloren, wurden geblendet und verstümmelt, der Kiefer wurde ihnen weggeschossen. Sie bleiben zurück als Krüppel, schwer gezeichnet für des Lebens kläglichen Rest. Diese Schwerverletzten werden auch in der Berliner Charité behandelt.10 Haben Sie da in den Medien jemals ein Bild gesehen?
Auch dies ist kognitive Kriegsführung: Der Öffentlichkeit das wahre Gesicht des Krieges vorzuenthalten. Propaganda und Zensur sind zwei Seiten derselben Medaille.11
[Red. Laut «New York Times» vom 3. März hat der Ukraine-Krieg bisher über eine Million Tote und Schwerverletzte gefordert. Der gegenwärtige Drohnen-Krieg führe zu noch mehr Opfern als der anfängliche Artilleriekrieg.]
Meine etwas anderen Quellen
Ich werde versuchen, die geopolitische Lage einzuschätzen. Dabei werfe ich auch einen Blick zurück. Denn wer die Vergangenheit nicht kennt, kann ihre Folgen für die Zukunft nicht ermessen. Dies ist ein Kernproblem der aktuellen europäischen Politik.
Ich will nicht verschweigen, dass ich dabei in der Politischen Wissenschaft zumindest im deutschsprachigen Raum eine Minderheiten-Position vertrete. Im weltweiten Massstab sieht es allerdings etwas anders aus.12
Denn die Perspektive, welche grosse Medien verbreiten, ist in weiten Teilen der Nato-Propaganda geschuldet und auf die Nato-Länder unter Führung der USA, auf die EU, Japan, Australien und Neuseeland beschränkt. Diese Länder repräsentieren heute weniger als 20 Prozent der Weltbevölkerung.
Ich folge in meinen Überlegungen allerdings namhaften und international anerkannten Wissenschaftlern wie dem Geopolitik-Experten Glenn Diesen aus Oslo13, dem Aussenpolitik-Fachmann der Universität Chicago, Professor John J. Mearsheimer14, und dem US-Ökonomen Professor Jeffrey Sachs15 von der Columbia-Universität in New York. Weiter stütze ich mich auf den britischen Historiker Richard Sakwa16 und den Schweizer Militäranalysten Jacques Baud17 sowie den französischen Historiker Emmanuel Todd18.
Ich beginne mit einer Betrachtung der aktuellen Lage im Krieg in der Ukraine und versuche dann, den Hintergrund und die Auswirkungen des Geschehens zu erläutern.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt Folgen für die Zukunft auf
In diesem grössten europäischen Krieg seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Ukraine derzeit zerstört. Das Land hat etwa 20 Prozent seines Territoriums verloren, seine Wirtschaft liegt in Trümmern, Millionen Menschen haben das Land verlassen: Betrug die Zahl der Einwohner 1991 noch 52 Millionen, so ist die Ukraine inzwischen bei 28 Millionen Einwohnern angekommen. Das Land hat Hunderttausende Tote und Schwerverletzte zu beklagen, und natürlich gibt es Millionen Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge.19
Die territorialen Verluste sind schmerzhaft und machen einen Wiederaufbau schwierig, weil die Ressourcen aus dem Donbas fehlen werden. Aber die Alternative ist nicht, die in die Russische Föderation aufgenommenen Gebiete zu verlieren oder sie zurückzuerobern. Die Alternative besteht nur noch darin, diese Territorien verloren zu geben oder noch mehr zu verlieren.
Die amerikanischen und europäischen Vorstellungen, Russland durch den Stellvertreterkrieg in der Ukraine eine strategische Niederlage beizubringen, wirken nun wie Asche im Munde westlicher Politiker. Dieser Stellvertreterkrieg des Nato-Westens gegen Russland auf dem Boden der Ukraine, von dem der frühere britische Premier Boris Johnson gesprochen hat, endet in einem Desaster.
Der Kreml betrachtet eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als existentielle Bedrohung, genauso wie die USA auch russische Militärbasen oder Raketen in Mexiko nicht akzeptieren würden. Die Ukraine wird neutral bleiben. Damit hat sich Moskau durchgesetzt.
Der Versuch, die grösste Atommacht herauszufordern, offenbart den Grössenwahn des Westens, die Unfähigkeit, die Kräfteverhältnisse realistisch einzuschätzen. Wir können nun weiterträumen und die normative Kraft des Faktischen als russische Propaganda abtun, aber dies wird nur zu noch mehr Zerstörung führen. Der Realitätsverlust russophober Fanatiker in der politischen und medialen Elite des Westens ist der Hauptgrund für den hohen Blutzoll.
Die Zahl der Gefallenen und Schwerverletzten, also das, was Briten und Amerikaner «casualties» nennen, hat mit dem 1. September 2024 auf ukrainischer Seite wahrscheinlich die Millionengrenze überschritten. Die tatsächlichen Zahlen sind auf beiden Seiten streng geheim. Aber man kann aus der Auswertung der Todesanzeigen und Nachrufe entsprechende Rückschlüsse ziehen. Danach waren seit 2014 bis Anfang September 2024 mehr als 500’000 ukrainische Soldaten gefallen.21 Andere Schätzungen gingen bereits Mitte 2024 von 650’000 Gefallenen aus.22 Der ehemalige CIA-Analyst Larry Johnson beziffert die Gefallenen auf insgesamt 1,2 Millionen, zählt man die Schwerverletzten dazu, kommt er auf drei Millionen, eine ganze Generation junger Ukrainer.22a
Nicht ganz so hoch wären dann die Zahlen auf russischer Seite. Das regierungskritische, von dem Oligarchen Chodorkowski finanzierte Portal «Mediazona» hat ebenfalls Nachrufe und Todesanzeigen ausgewertet. Seine Analysten kamen am 13. September 2024 auf 69’059 Gefallene, wobei noch 19’547 Söldner der privaten Militär-Firma Wagner dazukommen, die allein im Fleischwolf von Bachmut getötet wurden – wie man aus der Statistik der Hinterbliebenenzahlungen weiss.23 Dies ergibt eine Todeszahl von etwa 90’000, rechnet man die Gefallenen der Milizen von DNR und LNR dazu, ergibt sich eine Zahl von etwa 120’000.24
Das starke Gefälle zu Lasten der Ukraine ist begründet in der – je nach Frontabschnitt – fünf- bis zehnfachen Überlegenheit der Russen an Artillerie, Raketen und Drohnen. Unter der ukrainischen Zivilbevölkerung hat das UN-Hochkommissariat bis Ende Dezember 2024 mindestens 12’456 Todesopfer erfasst, darunter mindestens 669 Kinder.26
Die Kursk-Offensive, die mit einer Planung der Nato begann, entpuppt sich als Sackgasse für die USA und ihre Nato-Satrapen. Was noch vor wenigen Jahren für mich unvorstellbar war: Wieder stehen deutsche Panzer an den Stätten des früheren deutschen Vernichtungskrieges, der mehr als 27 Millionen tote Sowjetbürger gefordert hatte.
Die Ukraine hat mit dem Vorstoss bei Kursk erstens versucht, eine neue Front zu eröffnen, um die Russen zu zwingen, Truppen vor Donezk abzuziehen und damit den russischen Vormarsch zu verlangsamen. Zweitens ging es um ein Faustpfand für mögliche Verhandlungen. Drittens wollte sie einen PR-Erfolg erzielen, dem Westen zeigen, dass die Initiative nicht verloren gegangen ist, um neue Unterstützung zu mobilisieren. Viertens ging es um den Versuch, mit einem Vabanque-Spiel den Westen zu einer direkten Beteiligung zu zwingen, damit die Front im Donbas nicht zusammenbricht und für die Russen der Weg nach Dnipro offen wird.27 Fünftens, so schätzt es der früher höchste deutsche Offizier bei der Nato, General a.D. Harald Kujat, ein, zielte die ukrainische Offensive darauf ab, das Kernkraftwerk Kursk einzunehmen und damit ein nukleares Erpressungspotential zu gewinnen.
Dieser Versuch ist gescheitert.28 Zurück bleiben allein auf ukrainischer Seite – je nach Schätzung – zwischen 35’000 und 55’000 Gefallene.29
Die Kampfmoral der ukrainischen Truppen ist am Boden. Allein in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres wurden 19’000 Verfahren wegen Fahnenflucht eingeleitet.30 Die Annäherung zwischen Trump und Putin haben Frust und Resignation in den Eliten verstärkt, da Kiew bei Friedensgesprächen genauso wie die Europäer bestenfalls am Katzentisch sitzen wird. Andererseits richtet sich die Hoffnung der Bevölkerung auf ein Ende des Sterbens.31
Wenn die russische Armee den Eisenbahnknotenpunkt Pokrowsk westlich Donezk vollständig einnimmt, steht die überdehnte ukrainische Front vor dem Zusammenbruch. Denn dahinter ist Steppe – und damit nichts mehr, was die Infanteristen vor den beständigen Drohnenangriffen schützen könnte.
Man kann die Lage-Beurteilung so zusammenfassen: Die Ukraine wurde zur Schlachtbank geführt. Deutschland ist der grösste ökonomische Verlierer. Wir alle werden die Zeche zahlen.
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«Ein Sieg in der Ukraine wird Putins Ehrgeiz anheizen»
upg. Nach Ansicht des konservativen «New York Times»-Kolumnisten Bret Stephens begeht Präsident Trump «Verrat an der Ukraine». Ein Auszug aus seinem Kommentar vom 4. März:
«Putins Klagelied über den Westen begann nicht erst mit der westlichen Unterstützung der Ukraine am Vorabend der Invasion 2022 oder mit der Unterstützung der Obama-Regierung für die Maidan-Revolution im Jahr 2014. Das Klagelied begann bereits 1989, als Putin als KGB-Offizier in Ostdeutschland Zeuge des Zusammenbruchs der Sowjetmacht – seiner Macht – durch die Macht des Volkes wurde.
Das Ziel von Putins 25-jähriger Herrschaft war die Wiederherstellung der Sowjetmacht auf Kosten des Volkes. Er hat dies durch die Beseitigung der Demokratie, die Ermordung von Gegnern, Cyberangriffe auf Nachbarländer, militärische Invasionen, wiederholte Verstösse gegen langjährige internationale Abkommen und illegale Einmischung in die Politik westlicher Länder erreicht.
Putin ist nicht der gekränkte Verteidiger historischer russischer Interessen. Er ist ein bösartiger Aggressor, der einen zutiefst persönlichen Ehrgeiz verfolgt. Ein Sieg in der Ukraine wird diesen Ehrgeiz nicht befriedigen, sondern ihn nur anheizen. […]
Unsere Soldaten hatten die Strände der Normandie nicht gestürmt, um von den französischen Weinbergen oder der deutschen Kohle zu profitieren. Sie taten dies, um eine freiere Welt zu schaffen, in der Amerika auf ehrliche Weise und auf Kosten von niemandem gedeihen kann.»
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Maidan, Bürgerkrieg im Donbas: Medien verbreiten Propaganda der Nato
Wer nichts weiss, muss viel glauben. Von der Ukraine wissen die Menschen in Deutschland meist wenig. Genau hier setzt die Propaganda an. Lassen Sie dabei zunächst einmal das hinter sich, was Ihnen die grossen Medien tagtäglich vorsetzen. Folgen Sie mir einen Augenblick im Versuch, die Propaganda der Medien von den Tatsachen zu trennen. Denn es gibt, wie sich Franz Josef Strauss einmal ausgedrückt hat, «eine normative Kraft des Faktischen, aber keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen».
Der ukrainische Bürgerkrieg nach dem Staatsstreich auf dem Maidan
Westliche Beobachter sehen die Ereignisse auf dem Maidan in Kiew im Winter 2013/2014 als einen Scheideweg zwischen einer Diktatur nach dem Vorbild von Belarus oder dem Sturz des Präsidenten Janukowitsch. Sie betrachten den Maidan als Revolution, als Transformation von unten, die zu einer Demokratie mit mancherlei Mängeln geführt habe, in der aber «volle Meinungsfreiheit herrscht».
Wenn die Augenzeugen vom Maidan, mit denen ich gesprochen habe, dies hören, können sie nur sarkastisch lachen. Denn die Wahrheit klingt ganz anders. Wer aber die Wahrheit über den Maidan in Deutschland berichtet, wird zensiert, mit Berufsverbot belegt und – mit Duldung deutscher Behörden und der deutschen Justiz – vom ukrainischen Geheimdienst bedroht. Mit allen drei Massnahmen wurde und werde auch ich überzogen.
Über die tatsächlichen Ereignisse schreibe ich in meinem Buch «Auf beiden Seiten der Front». Zusammen mit Régis Le Sommier33 gehöre ich zu den wenigen, die auf beiden Seiten dieses Krieges recherchiert haben.34 In der Folge wurde ich von «T-Online» und von meinem eigenen Sender, dem «NDR», bei den Referenden im Donbas im September 2022 als Wahlbeobachter Putins hingestellt. Der «NDR» wollte arbeitsrechtliche Schritte einleiten. Der ukrainische Geheimdienst setzte mich auf die Todesliste «Mirotworez». In Deutschland steht heute die Wahrheit unter Strafe, die Medien sind zur Propaganda-Kompanie der Nato verkommen.
Wer es vorzieht, eine wissenschaftliche Studie zu Rate zu ziehen, dem empfehle ich die Studie von Ivan Katchanovski von der Universität Ottawa. Auf Grund gründlicher Auswertung der Obduktionsberichte, der Gerichtsprotokolle, der Augenzeugenberichte und der ballistischen Untersuchungen kommt er zu dem Ergebnis, dass die Morde auf dem Maidan eine Inszenierung ukrainischer Faschisten und westlicher Regierungen waren, um eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen und einen prowestlichen Regimewechsel herbeizuführen.35
Das Unheil begann auf dem Maidan
Er sieht im Geschehen auf dem Maidan 2014 die Ursache für den Beginn des Bürgerkriegs im Donbas, für die russischen Interventionen auf der Krim und im Donbas, für den Anschluss der Krim an Russland und die Eskalation des Konflikts zwischen Russland und dem Westen mitsamt dem Einmarsch und dem Krieg mit der Ukraine seit 2022.
Demonstranten wurden in sogenannten Tech Camps von US-Nichtregierungsorganisationen und der US-Botschaft vorbereitet, um über Social Media Massenproteste zu organisieren. Nichtregierungsorganisationen wurden von USAID, US-Stiftungen sowie polnischen und litauischen Diplomaten bezahlt. Die Demonstranten erhielten Thermo-Unterwäsche, Essen, Zelte, Heizkörper, Tischtennisplatten. Sie wurden im 14-tägigen Wechsel auf den Maidan gebracht und wieder abgelöst. Für ihre Anwesenheit erhielten sie Geld in Höhe des doppelten Durchschnittslohns.
Die Waffen auf dem Maidan stammten aus der Plünderung polizeilicher Waffenlager in der West-Ukraine, namentlich Lwow und Iwano-Frankiwsk, wo die rechtsextreme Swoboda-Partei besonders stark war. Der US-Historiker Nikolai N. Petro hat dargelegt, dass Rechtsextremisten und Faschisten in der Westukraine die Entfesselung eines Bürgerkriegs planten, falls der Putsch auf dem Maidan nicht zum gewünschten Ziel, dem Sturz des Präsidenten Janukowitsch und seiner Regierung, führen sollte.
«Während des Maidan», so Nicolai Petro, «häufte der Rechte Sektor ein grosses Arsenal an Waffen an und versammelte ungefähr 10’000 Kämpfer.» Die Aufstellung von Freiwilligenbataillonen war keine Antwort auf einen russischen Einmarsch, sondern spiegelte die vorangegangene Überlegung wider, dass Gewalt nötig sein würde, den Umsturz zu konsolidieren und zu verteidigen. Wie es der Sprecher des Rechten Sektors unmittelbar vor Janukowitschs Amtsenthebung ausdrückte: «Unsere Gruppe ist vollständig dazu in der Lage, einen Bürgerkrieg durchzukämpfen.»36 Das bedeutet: Auch im Falle eines Scheiterns auf dem Maidan waren galizische Ultranationalisten bereit, mit Waffengewalt einen Umsturz zu erzwingen.
Wie stark die Unterstützung des Westens für die Putschisten auf dem Maidan war, belegt nicht nur das abgehörte und am 4. Februar 2014 veröffentlichte Telefonat zwischen Victoria J. Nuland, Staatssekretärin für Europa und Eurasien im US-Aussenministerium, und dem Botschafter der USA in der Ukraine, Geoffrey R. Pyatt. Abgesehen von der Abwertung der Europäer – «Fuck the EU» – machte das Gespräch deutlich, dass Washington auf einen Umsturz hinarbeitete und den Oppositionsführer Jazenjuk an die Macht bringen wollte.
Bereits am 13. Dezember 2013 hatte Nuland vor der US-Ukraine-Stiftung erklärt, die USA hätten mehr als fünf Milliarden Dollar in die Kräfte des Umsturzes investiert. Nähere Informationen gab Nuland bei einer Befragung im US-Kongress am 9. Mai 2014, bei der auch das Auftreten von Faschisten auf dem Maidan zur Sprache kam.37
Nach russischen Angaben flossen dem Maidan wöchentlich allein an direkten Geldmitteln 20 Millionen Dollar zu. Dabei waren die USA und die EU kontinuierlich in Kontakt mit Rechtsextremisten und Faschisten. Ivan Katchanovski berichtet, dass wie auf einem Basar die Zahl der Morde verhandelt worden sei, die man für erforderlich hielt, damit die westlichen Regierungen den gewählten Präsidenten Janukowitsch zwingen, sein Amt aufzugeben. Man einigte sich auf etwa 100. Und so kam es auch.38 Eine solche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates verletzt das Interventionsverbot und ist damit völkerrechtswidrig.
Es folgte die Phase des Bürgerkriegs
Damit begann die erste Phase des Ukraine-Krieges – die Bürgerkriegs-Phase. Bereits Mitte März 2014 waren auf ukrainischer Seite US-Söldner der Sicherheitsfirma Academi, vormals Blackwater, im Donbas aktiv. Damit waren die USA vom ersten Augenblick an beim Konflikt im Donbas dabei. Die Entsendung von Söldnern verletzt das Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 der UN-Charta und ist damit völkerrechtswidrig.
Die Welle der Gewalt auf dem Maidan, der gewaltsame Umsturz und marodierende ultranationalistische und rechtsextremistische Gruppen in der gesamten Ukraine führten dazu, dass die russischstämmige Bevölkerung in der Ostukraine zusammen mit der örtlichen Polizei und mit übergelaufenen ukrainischen Soldaten Selbstverteidigungs-Milizen aufbaute und eigene staatliche Strukturen schuf. Ab Mitte April 2014 wurden sie unterstützt von Freiwilligen um den ehemaligen FSB-Offizier Igor Girkin, genannt «Strelkow» – insgesamt 52 Mann. Als Reaktion auf die Beteiligung von US-Söldnern schickte der russische Generalstab Söldner des «Slavianski Korps», das den Aufständischen beispringen sollte. Die Wagner-Truppe wurde nach Angaben des US-Militäranalysten Scott Ritter am 1. Mai 2014 in Donezk gegründet.39
Bereits im April 2014 startete die Zentralregierung in Kiew die sogenannte Antiterror-Operation gegen die Aufständischen im Donbas. Am 6.April 2014 ordnete der ukrainische Übergangspräsident Aleksandr W. Turtschinow die Einrichtung eines «Antikrisenstabes» an, um «mit antiterroristischen Massnahmen gegen alle vorzugehen, die eine Waffe in die Hand nehmen […]»40 Dies stand in Zusammenhang mit der Besetzung von Verwaltungsgebäuden in Charkow, Donezk und Lugansk durch prorussische Aktivisten.
Der 6. April 2014 markiert also den Beginn des Krieges im Donbas durch die Putschregierung in Kiew. Am 2. Mai und am 8. Mai 2014 kam es in Odessa und Mariupol zu Massakern durch rechtsextremistische Paramilitärs.
Selbständige Volksrepubliken ausgerufen
Am 7. und am 27. April 2014 riefen die Separatisten in Donezk (DNR) und Lugansk (LNR) eigene Volksrepubliken aus. Im Mai 2014 führten die Aufständischen in den von ihnen beherrschten Gebieten Referenden über eine weitgehende Unabhängigkeit bzw. die Selbständigkeit durch. Putin hatte davon abgeraten.
Solche Sezessionen sind völkerrechtlich umstritten, aber durch die Charta der Vereinten Nationen und durch das Völkerrecht grundsätzlich auch gegen den Willen des Mutterlandes rechtlich möglich. So nahm der Internationale Gerichtshof in Den Haag am 22. Juli 2010 zur einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo Stellung: Der Präsident erklärte: «Das internationale Recht kennt kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen.»41
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg wurde nicht ausgelöst durch die Russische Föderation im Februar 2022, sondern durch die Ukraine im April 2014. Bis Ende 2021 waren nach Angaben internationaler Organisationen dabei mehr als 14’000 Menschen getötet worden, darunter 3400 Zivilisten.42 Die OSZE gelangte zu dem Urteil, dass 75 Prozent der zivilen Opfer auf das Konto der ukrainischen Armee gingen.43
Keine russische Anerkennung, aber Logistik und Waffen
Nach dem Ausrufen der Volksrepubliken im April 2014 erkannte Putin diese Republiken Donezk und Lugansk nicht an – bis zum Februar 2022. Offensichtlich wollte er sich nicht tiefer in den Konflikt hineinziehen lassen. Allerdings unterstützte Russland die Separatisten logistisch, wirtschaftlich und mit Waffenlieferungen. Das Ausmass direkter militärischer Beteiligung ist nicht geklärt. Der Militäranalyst Jacques Baud geht davon aus, dass es kein Eingreifen regulärer russischer Verbände gegeben habe.45
Umgekehrt rüstete die Nato die Ukraine seit dem Putsch auf dem Maidan massiv auf. Durch gemeinsame Militärmanöver und US-Ausbilder sollte möglichst schnell «Inter-Operabilität» erreicht werden. Zum Sinn dieser Massnahmen hier ein paar Stimmen:
- Pierre de Gaulle, Enkel des französischen Präsidenten General Charles de Gaulle: Der Krieg «wurde durch den Willen der Amerikaner und der Nato ausgelöst, und er wird von der Europäischen Kommission weitgehend aufrechterhalten».
- Alain Juillet, Chef des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE unter Präsident Jacques Chirac, sagt, die Amerikaner hätten den Krieg provoziert: «Ganz klar.» Seit 2014 hätten sie alles dafür getan, dass Russland in den Krieg schlittert. Die Nato habe sich mit der Ukraine zusammengetan, «um Krieg gegen Russland zu führen. Ohne die Nato wäre die Ukraine tot».
- Günter Verheugen, langjähriger EU-Kommissar und 2004–2010 Vizepräsident der Europäischen Kommission: Im Ukraine-Krieg «geht es nicht darum, was für die Ukraine das Beste ist. Es geht vielmehr um die strategische Schwächung Russlands».46
Der ukrainisch-russische Bruderkrieg
Am 21. Februar 2022 anerkannte Russland die neu entstandenen Republiken DNR und LNR. Dabei sah sich Moskau im Einklang mit dem Völkerrecht. Mit anerkannten Staaten können völkerrechtlich verbindliche Verträge abgeschlossen werden, auch über gegenseitige Beistandsverpflichtungen. Damit gab auch Moskau die Abkommen Minsk I und Minsk II auf, die nach Darstellung der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel und des früheren französischen Präsidenten François Hollande lediglich dazu gedient hatten, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen.
Die beiden Abkommen waren durch UN-Beschluss völkerrechtlich verbindlich. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat, spricht deshalb von einem eindeutigen Bruch des Völkerrechts.47
Der frühere US-Waffeninspektor Oberst a.D. Scott Ritter sagt: «[…] die Ukraine und ihre westlichen Partner kauften einfach Zeit, bis die Nato ein ukrainisches Militär aufbauen konnte, das den Donbas in seiner Gänze einnehmen und Russland von der Krim vertreiben konnte.»48
Allerdings gibt es auch direkte Ursachen für den Beginn der zweiten Phase des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022. Die ukrainische Truppenstärke im Donbas betrug 2015 etwa 121’500 Mann. Bis Februar 2022 wuchs die Zahl der Soldaten auf 209’000 Mann. Mit den Reservisten hatte die Ukraine 1’198’600 Mann unter Waffen.49 Der frühere US-Aussenminister Antony Blinken machte im Dezember 2024 in einem Interview mit dem «New York Times Magazine» deutlich, dass die USA mit einem Krieg gerechnet und deshalb die Ukraine im September und Dezember 2021 heimlich massiv aufgerüstet hatten.50 Damit hat die Biden-Administration den Krieg bewusst in Kauf genommen, statt auf das Verhandlungsangebot des Kremls einzugehen. Ukrainische Militärs berichteten, dass die Ukraine einen Angriff auf den Donbas geplant hatte.51
Die Ukraine schreibt den Beitritt zur Nato in die Verfassung
Bereits am 20. September 2018 stimmte das ukrainische Parlament Verfassungsänderungen zu, die den Beitritt des Landes zu Nato und EU zum wichtigsten aussenpolitischen Ziel machen sollten. Am 7. Februar 2019 wurde der Nato-Beitritt in der Verfassung verankert – ein klarer Verstoss gegen die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von 1992 und des Budapester Memorandums von 1994.51a
Ab 2014 verabschiedete die Ukraine Sprachengesetze, die das Verbot russischer Filme und der Einfuhr russischer Schriften vorsahen, Sprachquoten für Sender einführten, die Verwendung des Russischen an Schulen schrittweise abschaffen und alle Bereiche des staatlichen und öffentlichen Lebens auf die ukrainische Sprache verpflichten sollten. Alle diese Massnahmen waren völkerrechtswidrig.52 Inzwischen sind Denkmäler und Strassennamen russischer Dichter und Denker durch die Namen von Faschisten wie Stepan Bandera ersetzt, Bücherverbrennungen finden statt.
Am 24. März 2021 unterschrieb Präsident Selensky eine neue Militärdoktrin, die Russland zum Hauptfeind erklärte und auf die Rückeroberung der Krim und des Donbas hinauslief. Daraufhin zog auch Russland Streitkräfte an den Grenzen zur Ukraine zusammen.
Am 31. August 2021 schlossen die USA und die Ukraine ein Strategisches Verteidigungsabkommen ab. Es folgte am 10. November 2021 ein bilaterales Abkommen über strategische Partnerschaft mit einer scharfen antirussischen Stossrichtung.
Ein letzter Versuch, sich die Nato friedlich von der Grenze weg zu halten
Am 15. Dezember 2021 startete Moskau einen letzten Versuch zur Verhinderung der Eskalation. Konkret schlug Russland ein Abkommen in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag vor, das vom Prinzip der unteilbaren Sicherheit ausgeht, mit Verzicht auf die Nutzung fremder Territorien, um einen Überfall auf die USA oder Russland zu beginnen; Verzicht auf die Durchführung militärischer Handlungen der Nato in der Ukraine, Verzicht auf eine weitere Ausdehnung der Nato nach Osten und Verzicht der Nato auf die Stationierung von Waffen und Militär in jenen Ländern, die das Bündnis nach 1997 aufgenommen hat.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte am 7. September 2023 vor dem Europäischen Parlament, Putin habe im Herbst 2021 einen Vertragsentwurf geschickt, «den sie von der Nato unterzeichnen lassen wollten, den Verzicht auf weitere Nato-Erweiterungen zu versprechen […]. Und das war eine Voraussetzung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Das haben wir natürlich nicht unterschrieben […]. Also zog er in den Krieg, um die Nato, noch mehr Nato, in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern.»53
Stoltenberg benennt hier den wahren Kriegsgrund: Die Ost-Erweiterung der Nato.
Entscheidend für den russischen Einmarsch im Februar 2022, so der Politologe John J. Mearsheimer von der Universität Chicago, sind die USA und die Nato. Er schreibt, «dass die USA und ihre Verbündeten den Krieg provoziert haben. Damit soll natürlich nicht geleugnet werden, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist und den Krieg begonnen hat. Die Hauptursache des Konflikts ist jedoch die Entscheidung der Nato, die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen, was praktisch von allen russischen politischen Führern als existentielle Bedrohung angesehen wird, die beseitigt werden muss. Die Nato-Erweiterung ist jedoch Teil einer umfassenderen Strategie, die darauf abzielte, die Ukraine zu einem westlichen Bollwerk an der Grenze zu Russland zu machen. Kiew in die Europäische Union (EU) zu bringen und eine Farbrevolution in der Ukraine zu fördern – sie also in eine prowestliche liberale Demokratie zu verwandeln – sind die beiden anderen Säulen dieser Politik. Die russische Führung fürchtet alle drei Säulen, aber sie fürchtet die Nato-Erweiterung am meisten. Um dieser Bedrohung zu begegnen, hat Russland am 24. Februar 2022 einen Präventivkrieg begonnen.»54
Dafür nennt Mearsheimer sieben Gründe:
- Es gibt keine Beweise aus der Zeit vor dem 24. Februar 2022, dass Putin die Ukraine erobern wollte;
- Es gibt keine Beweise, dass er eine Marionettenregierung in Kiew einsetzen wollte;
- Er hatte nicht annähernd genug Truppen – lediglich 190’000 Mann –, um die Ukraine zu erobern;
- Putin versuchte in den Monaten vor Kriegsbeginn, eine diplomatische Lösung für die Krise zu finden, was Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigt hat;
- Unmittelbar nach Kriegsbeginn wandte sich Moskau an Kiew, um Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufzunehmen, die dann in Belarus und Istanbul tatsächlich stattgefunden haben, aber vom Westen gestoppt wurden;
- Abgesehen von der Ukraine, gibt es nicht den geringsten Beweis, dass Putin weitere osteuropäische Länder angreifen wollte;
- Vor Kriegsbeginn im Jahr 2022 hatte kaum jemand im Westen behauptet, Putin habe seit seinem Machtantritt imperiale Ambitionen gehabt.
Noch einmal der französische Historiker Emmanuel Todd: Die Ukraine «wurde aufgerüstet, um Russland anzugreifen. Putins Angriff war eine «defensive Invasion» […]. Wenn die Nato darauf verzichtet hätte, die Ukraine zu einem Teil ihres militärischen Dispositivs zu machen, hätte es diesen Krieg nicht gegeben.»55
Wir haben es demnach zu tun mit einem Stellvertreter-Krieg, der geostrategische und ökonomische Ursachen hat.
Das Ziel eines Regimewechsels in Moskau wurde verfehlt
Von Anfang an waren die USA, die Nato und die EU im Krieg in der Ukraine mit dabei. Das zeigt nicht nur die westliche Beteiligung am Maidan, sondern das hatte schon die sogenannte Orange Revolution 2004 gezeigt. Bereits in der Ära des Präsidenten Juschtschenko war die Kumpanei des Westens mit ukrainischen Faschisten auffällig.56 Es ging darum, die Ukraine mit allen Mitteln in den westlichen Orbit hineinzuziehen, Russland einzukreisen, einen Regimewechsel in Moskau zu bewirken sowie neue Absatzmärkte, verlängerte Werkbänke und Rohstofflager zu erschliessen.57
Die USA haben jahrelang alles versucht, die Ukraine als Rammbock gegen Russland aufzubauen. Dazu gehört auch die Präsenz der CIA im Donbas mit mindestens zwölf geheimen Standorten.58 Die Hochrüstung der Ukraine dauerte auch während der ersten Amtszeit von Donald Trump als Präsident von 2017 bis 2021 an. Damit ist dies auch Trumps Krieg.
Washington und London haben mit dem Putsch auf dem Maidan einen Bürgerkrieg bewusst in Kauf genommen, den Krieg gegen die separatistischen Republiken begleitet und orchestriert und nach dem russischen Einmarsch einen möglichen Frieden im Frühjahr 2022 verhindert.59 Damit sind sie mitverantwortlich für Hunderttausende Tote. Unterm Strich ist die Strategie des Westens, die Ukraine für einen Regimewechsel in Moskau zu opfern, gescheitert.
Heute werden wir Zeugen einer tektonischen Verschiebung in der Geopolitik. Vor diesem Hintergrund wirkt die Strategie von Präsident Donald Trump paradoxerweise wie die Fortsetzung der US-Politik mit anderen Mitteln. Die Veränderungen in der Washingtoner Administration verschieben den Fokus imperialer Ausbeutungs- und Beherrschungsstrategien von den Konkurrenten zu den Satrapen:
- Die Ukraine soll gezwungen werden, Seltene Erden im Wert von 500 Milliarden Dollar abzugeben;
- die EU soll die Kriegsfolgekosten alleine bezahlen;
- Dänemark muss akzeptieren, dass Washington auf das rohstoffreiche und strategisch wichtige Grönland zugreift;
- Trump überlegt öffentlich, Panama wieder zu besetzen; die nationale Selbständigkeit Kanadas wird in Frage gestellt;
- ein Trump nahestehender Investor kündigt an, die Nordstream-Pipeline aus dem Insolvenzverfahren aufzukaufen, was den USA die Kontrolle der deutschen Energieversorgung ermöglichen würde. Washington festigt seinen Machtbereich, verzichtet auf den Rest der Welt und konzentriert sich auf den Hauptrivalen China.
Die eigentliche Kriegsursache sehen Historiker im Niedergang des Westens und vor allem der USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen sie noch für 45 Prozent der weltweiten Industrieproduktion, heute nur noch für maximal 27 Prozent. Im Jahr 2000 wurden noch 66 Prozent des Welthandels in Dollar abgewickelt, 2022 waren es nur noch 47 Prozent, im ersten Trimester 2023 waren es nur noch 40 Prozent. Gleichzeitig sanken die Devisenreserven in Dollar in 20 Jahren von 71 Prozent auf 60 Prozent. Im Jahr 2022 galten von 340 Millionen US-Amerikanern 140 Millionen als arm oder geringverdienend.
Ähnliches gilt für den gesamten Westen: Noch 1980 hatte der Westen einen Anteil an der Weltwirtschaft von 80 Prozent, und der Rest der Welt trug 20 Prozent bei. Heute haben die aufstrebenden Länder einen Anteil an der Weltwirtschaft von fast 70 Prozent, der Westen hat gerade mal noch gut 30 Prozent.63
Bereits 2016, also lange vor dem Einmarsch der Russen und mitten im Krieg der Ukraine gegen die Separatisten-Republiken, hatte der britische Historiker Richard Sakwa in seinem Buch «Frontline Ukraine» davon gesprochen, der Krieg in der Ukraine sei der «Selbstmord Europas».66 Die europäische Integration hat sich mittlerweile als Wunschtraum herausgestellt. Konfrontiert mit der Aufgabe, die Wunden des Kalten Krieges zu heilen und den Grundstock eines geeinten Kontinents zu errichten, ist die EU spektakulär gescheitert. Die Europäische Union degenerierte zur Geldbeschaffungsmaschine der Nato. Nun darf sie weitermachen als Bankrotteur.
Inzwischen wird in den USA schon offen darüber gesprochen, dass die Europäer für die Kriegsfolgen aufkommen müssen. Die Weltbank schätzt die Kosten des Wiederaufbaus auf 411 Milliarden Dollar.67 Bloomberg spricht gar von einer Billion Dollar.68 Dies würde die Budgets der EU mit einer dreistelligen Milliardensumme belasten.
Bereits jetzt hat Deutschland fast 150 Milliarden Euro für den Krieg in der Ukraine ausgegeben, Geld, das bei Bildung, Renten, Gesundheit, Infrastruktur, Wohnungsbau und im Sozialbereich fehlt.70 Massive Einschnitte im sozialen Bereich werden die Folge sein. Die erforderlichen Milliarden zur Finanzierung von Schulen und Universitäten werden fehlen. Die Qualifikationslücke insbesondere beim akademischen Nachwuchs wird zunehmen, wir bewegen uns hin in ein «Zeitalter der Idiotie», wie mein Freund Ramon Schack ein Buch genannt hat. Die Infrastruktur wird schleichend zerfallen. Schon heute sind tausende Brücken in Deutschland marode, es fehlt an Investitionen in Strassen und Schienen. Dies erhöht die Logistikkosten der Unternehmen und erschwert die Suche nach gutem Nachwuchs.
Der Chef des US-Aussenministeriums Marco Rubio hat nun klar einen Kurswechsel Washingtons formuliert, in einem Interview, das sich auch auf der Seite des Foreign Office in voller Länge findet und dem deshalb programmatischer Charakter attestiert werden kann:
«Ich denke, das westfälische System souveräner Staaten ging am Ende des Kalten Krieges verloren, weil wir die einzige Macht in der Welt waren. Also übernahmen wir diese Verantwortung, in vielen Fällen so etwas wie die globale Regierung zu werden, indem wir versuchten, jedes Problem zu lösen. So ist es normal für die gesamte Welt, eine einzige unipolare Führungsmacht zu haben.
Aber das war eine Abnormalität. Es war ein Ergebnis des Kalten Krieges, aber möglicherweise werden wir zurückgehen zu einer multipolaren Welt, zu mehreren Grossmächten in verschiedenen Teilen der Welt. Das sehen wir heute bei China und zu einem gewissen Grad auch bei Russland […]. Mehr denn je müssen wir heute daran denken, dass Aussenpolitik im nationalen Interesse der USA gemacht wird und wenn möglich Kriege vermeiden sollte.»
Damit gesteht Marco Rubio das Scheitern des Unilateralismus ein.
Sanktionen gegen Russland sind Teil eines globalen Wirtschaftskrieges
Vor allem Europa hat sich ins eigene Fleisch geschnitten. Es zahlt die Zeche. Uns es leiden die Bürgerrechte und die Demokratie.
Die USA und ihre europäischen Satrapen glaubten, sie könnten Russland mit Wirtschaftssanktionen in die Knie zwingen. Ich erinnere mich noch an den Satz von Aussenministerin Annalena Baerbock: «Diese Sanktionen werden Russland ruinieren!» Der Westen hat Auslandsanlagen der Russischen Föderation im Wert von fast 300 Milliarden Euro eingefroren, grössere russische Banken wurden vom Zahlungssystem SWIFT ausgesperrt, russische Unternehmen können keine High-Tech- oder Dual-Use-Produkte im Westen kaufen, Energieunternehmen wie Shell, BP oder Logistikunternehmen wie Maersk haben Russland verlassen.
Diese umfassenden Sanktionen wurden nicht von der Uno beschlossen und sind damit allesamt völkerrechtswidrig.
Inzwischen sind diese Leute recht kleinlaut geworden, nachdem auch deutsche Forschungsinstitute feststellten, dass die Sanktionen zum Bumerang geworden sind.73 Die Wirtschaftskampagne gegen Russland hat versagt. Sie führte zu steigenden Energie- und Rohstoff- sowie Nahrungsmittelpreisen im Westen. Die US-Unternehmen haben durch die Sanktionen mehr als 300 Milliarden Dollar verloren. – Für Trump ist das zu viel.74
Mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline, die der Rechercheur Seymour Hersh Washington zuordnet, ist für Deutschland die Energiefalle zugeschnappt. Die Wirtschaftskraft Russlands wurde sträflich unterschätzt. Bei der Produktion von Stahl oder Aluminium – beides kriegswichtige Materialien – hat die Russische Föderation Deutschland überholt und ist mit den USA gleichgezogen.75
Russlands Wirtschaft ist auf den neuen Märkten Eurasiens und des globalen Südens auf Wachstumskurs. Nur die USA, Kanada, die 27 Mitgliedsstaaten der EU, Japan, Australien, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, die Ukraine, das Vereinigte Königreich, die Bahamas, Südkorea und Taiwan sanktionieren Russland, bei einzelnen Punkten auch die Türkei.78 Das sind derzeit rund 40 Staaten. Der Uno gehören 193 Mitgliedsstaaten an. Die restlichen 153 treiben weiter Handel mit Russland.
Der amerikanische Historiker Nikolai Petro von der Long Island University wies darauf hin, dass die Sanktionen aus zwei Gründen ihre Wirkung verfehlen: Erstens hat Russland seit 2014 Erfahrung im Umgang mit Sanktionen und hat die binnenwirtschaftliche Resilienz gestärkt. Zweitens bleiben 153 Länder Partnerstaaten Russlands. So gelingt es, die Sanktionen breit zu umgehen.79 Viele Länder Afrikas sind auf russische Getreide-Importe angewiesen. Die Sanktionen des Westens gegen Russland haben die Getreidepreise um 30 Prozent verteuert und produzieren so einen Berg afrikanischer Leichen.
Ende 2022 war Russland zu Chinas zweitgrösstem Lieferanten von Rohöl geworden. Indien ist ebenfalls ein wichtiger Öl-Kunde. Das Land produziert lediglich 10 Prozent des heimischen Bedarfs. Aber 34 Prozent des verbleibenden Restes des indischen Ölverbrauchs kam 2023 aus Russland.
Die Folgen des Wirtschaftskrieges auf die USA und Europa wirken sich unterschiedlich aus. Die Ukraine ist der grösste Verlierer dieses Krieges, ein ganzes Land, Hunderttausende Menschen werden geopfert auf dem Altar geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen. Der zweite Verlierer ist Deutschland.
Die Eliten des Westens haben sich in eine Sackgasse manövriert. Statt sich zu besinnen, trieben sie die Bevölkerung immer tiefer in den Ukraine-Krieg hinein. Auch dies hat wirtschaftliche Gründe. Beim Besuch in Kiew hat US-Senator Lindsey Graham am 6. September 2024 deutlich gemacht: Die Ukraine sitze auf Rohstoffen im Wert von Billionen US-Dollar, die «für die US-Wirtschaft gut» seien, und dass die Ukraine kämpfe, damit die USA nicht kämpfen müssen.88
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter: «Wenn Europa die Energiewende vollziehen will, braucht es eigene Lithium-Vorkommen. Die grössten Lithium-Vorkommen in Europa liegen im Donezk-Lugansk-Gebiet […] Also haben wir hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund.»89
Aber es geht nicht nur um jene Ressourcen, die tendenziell sinkende Profitrate in den westlichen Industrienationen aufhalten und die Strategie der Dekarbonisierung stützen können.90 Es geht auch um den Fortbestand der Dollar-Wirtschaft. Der Dollar gilt als Weltreservewährung. Deshalb kann die US-Notenbank unbegrenzt Dollars emittieren. Denn jede Nation benötigt Dollar und muss Dollar-Reserven vorhalten, um zu handeln und vor allem Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas zu erwerben.
Deshalb können die USA ihre Inflation exportieren: Die gesamte Welt funktioniert wie ein Schwamm, der diese Inflation aufsaugt und der US-Regierung ermöglicht, riesige Defizite aufzubauen, einen astronomischen Militäretat zu finanzieren, und der einem winzigen Teil der Bevölkerung erlaubt, sich masslos zu bereichern.
Wer aus der Dollar-Wirtschaft ausscheren will, erleidet das Schicksal von Libyen, Irak, Iran oder Venezuela.
Ausblick: Waffenstillstand, aber kein Frieden
Jetzt lassen die USA die Ukraine fallen – der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Das Projekt Ukraine ist vorbei. Für die USA hat Europa keine Priorität mehr.97 Sie wenden sich nun mit aller Kraft dem Hauptrivalen China zu. Entwicklung und Märkte für Künstliche Intelligenz sollen entfesselt werden.98
Russland wird jede Feuerpause ablehnen, die der Ukraine und dem Westen nach einer Atempause eine Neuaufnahme der Kämpfe ermöglicht. Es ist die Konsequenz eines verlorenen Krieges, dass der Sieger die Bedingungen diktiert. Wer am Verhandlungstisch erfolgreich sein will, muss vorher auf dem Schlachtfeld siegen. Was der Kreml erreichen will, ist eine gesamteuropäische Friedensordnung, die vom Prinzip unteilbarer Sicherheit ausgeht. Dies geht nicht in einer unipolaren Welt, in der die Führungsmacht die Bedingungen diktiert. Gegenseitige Sicherheit ist nur möglich in einer multipolaren Welt.
Die EU-Regierungen dürfen jetzt den Schlamassel selbst aufräumen, in den sie sich hineinmanövriert haben. Sie haben nach der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, Friedenstruppen für die Ukraine stellen zu wollen. Dies dürfte Moskau kaum akzeptieren, da der Kreml Grossbritannien und die EU de facto als Kriegspartei betrachtet.99 Das bedeutet: Die Ukraine wird keine nennenswerten Sicherheitsgarantien erhalten.100 Wie die Ukraine sitzen die EU-Regierungen bei den Verhandlungen bestenfalls am Katzentisch.
Es rächt sich die Servilität transatlantisch korrumpierter Eliten in Europa. Der Verzicht auf jegliche aussenpolitische Selbständigkeit, oder, wie Robert Habeck dies erklärt hat, «dienende Führung», erweist sich als Sackgasse. Nun müssen die verantwortlichen Politiker die Kosten des «vermeidbarsten Krieges der Welt» (Richard Sakwa) auf die eigene Bevölkerung abwälzen. Europaweit, aber vor allem in Deutschland, wird ein Verarmungsprozess einsetzen, der erhebliche soziale Brüche und Verteilungskämpfe bis hin zu inneren Unruhen nach sich ziehen wird.
Es dürfte dann auch dem letzten Desinteressierten auffallen, dass das herrschende Parteien-Kartell abgewirtschaftet hat. In der Folge wird – von Trump-Gefolgsleuten angeheizt – die Entwicklung ganz zu Gunsten von Parteien wie der AfD in Deutschland verlaufen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat Vizepräsident J.D. Vance für einen Fall der Brandmauer plädiert und europäische Politiker ermahnt, der Stimme des Volkes zu folgen.102
Er erinnerte daran, dass nicht Russland die grösste Bedrohung darstellt, sondern der Abbau der Bürgerrechte und die Zerstörung der Demokratie.103 Ein Treffen von US-Vizepräsident J.D. Vance und Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz war nicht vorgesehen, aber eines mit dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.104 Merz war von 2016 bis 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Tochterfirma BlackRock Asset Management Deutschland AG.105 Damit ist klar, wohin die Reise geht: Mit einer auf transatlantische Linie gebrachten AfD an der Seite der CDU soll der Finanzkapitalismus entfesselt und umfassender Sozialabbau durchgedrückt werden. Deutschland wird mit einem Kanzler Merz als zweites Land in Europa nach der Ukraine – wo bereits ein Konsortium von BlackRock und JP Morgan die Staatsschulden managt – in die Hände von Finanz-Heuschrecken fallen.
Der Rückbau der Bürgerrechte und der Demokratie ist irreversibel. Der Krieg hat den Weg in den Überwachungs-Kapitalismus beschleunigt. Vergleiche mit dem Nationalsozialismus sind hier unangebracht. Zum einen ist die Diktatur des Finanzkapitals keine nationale Strategie der Eroberung, sondern sie wird global ausgerollt. Zum zweiten handelt es sich um einen «blockierten Konflikt»106: Die scheinbar kostenfreie Verfügbarkeit von Online-Angeboten sediert die Bevölkerung im Überwachungs-Kapitalismus, und eine starke Arbeiter- oder Bürgerrechtsbewegung wie in der Weimarer Republik existiert als organisierte politische Kraft nicht mehr. Die Transformation zur Fassadendemokratie, zu einem «umgekehrten Totalitarismus», ist ebenfalls ein Zerfallsprodukt des Westens.107
Europa und insbesondere Deutschland gerät in den Windschatten der ökonomischen Entwicklung. Wir werden nicht nur zum Hinterhof der USA, sondern auch zum Hinterhof Russlands, das seine Hinwendung nach Asien nicht mehr rückgängig machen wird; denn es geht um Milliarden-Investitionen, die sich rentieren müssen. Die Menschen in Europa, vor allem in Deutschland, werden die Kosten eines Krieges bezahlen, den sie nicht verhindern wollten.
Auch der Mangel an Zivilcourage insbesondere in Deutschland, die propagandistische Verblendung und die schwerfällige Agonie grosser Teile der Bevölkerung tragen ihren Teil zum Niedergang bei. Denn verantwortlich für das Unheil sind nicht nur jene, die es anrichten, sondern auch jene, die es nicht verhindern wollten.
Versucht man eine Gesamtschau, so stimmt die Welt nicht mehr mit den globalen Illusionen des Westens überein. Die Hegemonie Washingtons ist nicht mehr realisierbar. Die Niederlage des Westens in der Ukraine ist besiegelt, der Konflikt verlagert sich allmählich auf andere Schauplätze. Wie beim Untergang des Römischen Reiches brechen deshalb an den Peripherien des Imperiums asymmetrische Kriege aus. In einem jahrzehntelangen Abnutzungskampf werden die USA darin die Kräfte ihrer Satrapen überdehnen und allmählich ihre eigenen verschleissen.108
Donald Trump will den Krieg in der Ukraine loswerden und europäisieren, aber er hält am Konzept «Make America great again» fest. Es handelt sich deshalb um die Fortsetzung der imperialen US-Politik mit anderen Mitteln. Er respektiert den Übergang zur multipolaren Welt und arrondiert den eigenen Machtbereich auf Kosten der Vasallen. Doch die Konflikte, die wir erleben, stehen erst am Anfang.
Dass Trump in Zeiten solcher Umbrüche vorgeschlagen hat, gemeinsam mit Russland und China nuklear abzurüsten, könnte zur wichtigsten Initiative eines US-Präsidenten in den vergangenen Jahrzehnten werden – falls er sich gegen den militärisch-industriellen Komplex durchsetzen kann. Vielleicht kann es so gelingen, die Welt vor einer atomaren Katastrophe zu retten.110
Ich fasse zusammen:
- Der Westen hat den Krieg in der Ukraine verloren. Washington verabschiedet sich von Europa und fügt sich in die multipolare Realität. Die USA konzentrieren sich ganz auf den Kampf gegen China. Washington europäisiert den Krieg.
- Die Ukraine wird geteilt. Die Gebiete, die der Russischen Föderation eingegliedert wurden, bleiben russisch. Moskau fordert 30 Prozent des ukrainischen Gebiets, wird aber auf Odessa und Charkiw verzichten müssen.111
- Die Hinwendung Russlands nach Asien ist irreversibel. Dem Westen wird es nicht gelingen, Peking und Moskau zu spalten.
- Trump wird die EU dazu zwingen, die Ukraine aufzunehmen und den Wiederaufbau zu bezahlen. Dadurch blutet die EU finanziell aus und wird auseinanderfallen. Europa wird wirtschaftlich und politisch zum Hinterhof der Weltökonomie und der Geopolitik.
- Der wirtschaftliche Niedergang des Westens ist langfristig unaufhaltsam. Aussenministerin Baerbock verplappert sich und erwähnt ein neues Rüstungspaket der EU für die Ukraine in Höhe von 800 Milliarden Euro, das beschlossen werden soll.112 Damit hat die EU entschieden, mit dem sinkenden Schiff unterzugehen.113
- Der Westen ist gespalten. Die USA werden sich teilweise aus Europa zurückziehen, aber die Nato als Disziplinierungs- und Kontrollinstrument gegenüber den Europäern erhalten. Die EU soll künftig allein die Russische Föderation eindämmen.
- Die Realitätsverweigerung europäischer Eliten dauert an. Provokationen wie die von Annalena Baerbock,114 den Taurus zu liefern und Russlands Hinterland anzugreifen, könnten Moskau zu einem Präventivschlag bewegen und eine nukleare Katastrophe herbeiführen.
- Von einer gesamteuropäischen Friedensordnung auf der Grundlage gemeinsamer, unteilbarer Sicherheit sind wir weiter entfernt denn je.
- Zu verdanken haben wir dies Politikern und einer akademischen Schicht, die nicht wissen, was Krieg heisst.
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FUSSNOTEN
1 Trump May Meet Putin in February in Stunning Setback for Ukraine, Europa. Newsweek, 16.2.2025, https://www.newsweek.com/trump-meet-putin-february-setback-ukraine-europe-2031967
2 Collinson, Stephen. Trump’s rush for a deal with Putin leaves Ukraine and Europe scrambling. CNN, 18.2.2025, https://edition.cnn.com/2025/02/18/politics/trump-putin-deal-ukraine-analysis/index.html
4 Rubio Says Sanctions to Stay for Now as Trump Eyes Putin Summit. Bloomberg, 18.2.2025, https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-02-18/rubio-says-us-won-t-lift-russia-sanctions-before-ukraine-deal
5 Burghardt, Peter; Hassel, Florian. Radikaler Kurswechsel: Ukraine soll Gebiete aufgeben, Trump kündigt Verhandlungen mit Putin an. Tages-Anzeiger, 12.2.2025, https://www.tagesanzeiger.ch/ukraine-usa-vollziehen-kurswechsel-380205795846
6 Maier, Michael. Trump und Putin – deutsche Politiker sprechen von «Verrat» und Diktat. Berliner Zeitung, 13.2.2025, https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ukraine-trump-und-putin-deutsche-politiker-sprechen-von-verrat-li.2295054; Rüesch, Andreas. Trump und Putin wollen sich einigen, Europa wird übergangen: Der Verrat an der Ukraine nimmt seinen Lauf. Neue Zürcher Zeitung, 13.2.2025, https://www.nzz.ch/meinung/trump-strebt-deal-mit-putin-an-die-ukraine-kommt-unter-die-raeder-ld.1870912
7 «We want, like you, a sovereign and prosperous Ukraine, but we must start by recognizing that returning to Ukraine’s pre-2014 borders is an unrealistic objective. Chasing this illusionary goal will only prolong the war and cause more suffering». Zit. n. Diesen, Glenn: Hegseth replaces Deception with Reality. Substack, 13.2.2025, https://glenndiesen.substack.com/p/hegseth-replaces-deception-with-reality?publication_id=2670149&post_id=157055942&isFreemail=true&r=9vuj8&triedRedirect=true
8 «The United States does not believe that Nato membership for Ukraine is a realistic outcome of a negotiated settlement.» Ebd.
9 «Security guarantees must be backed by capable European and non-European troops. If these troops are deployed as peacekeepers at any point, they should be deployed as part of a non-Nato mission and should not be covered under Article 5 […] To be clear: As part of any security guarantee, there will not be U.S. troops deployed to Ukraine.» Ebd.
10 Kriegsverletzte ukrainische Soldaten ziehen in Flüchtlingsunterkunft in Charlottenburg. RBB, 7.4.2024, https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/04/berlin-charlottenburg-soldaten-ukraine-fluechtlingsunterkunft-prothesen.html
11 Meyen, Michael. Cancel Culture. Wie Propaganda und Zensur Demokratie und Gesellschaft zerstören. Berlin 2024, S. 9f.
12 Baab, Patrik: Crime and Punishment. The Postil Magazine vom 1.8.2024, https://www.thepostil.com/crime-and-punishment-what-dostoyevsky-can-teach-the-global-south-about-the-ukraine-war/
13 Diesen, Glenn. The Ukraine War and the Eurasian World Order. Atlanta 2024
14 Mearsheimer, John J.. Wer hat den Ukraine-Krieg verursacht? Nachdenkseiten vom 31.8.2024, https://www.nachdenkseiten.de/?p=120486; Mearsheimer, John J. Who Caused the Ukraine War? Substack, 5.8.2024, https://mearsheimer.substack.com/p/who-caused-the-ukraine-war; Mearsheimer, John J.: Die Ukraine hat schon verloren – und je länger der Krieg dauert, desto schlimmer wird es werden. Weltwoche vom 1.3.2024, https://weltwoche.ch/daily/geostratege-john-j-mearsheimer-die-ukraine-hat-schon-verloren-und-je-laenger-der-krieg-dauert-desto-schlimmer-wird-es-werden/
15 Sachs, Jeffrey. Ukraine-Krieg: Warum wollen die USA keinen Verhandlungsfrieden? Telepolis, 25.6.2024, https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Warum-wollen-die-USA-keinen-Verhandlungsfrieden-9776574.html; Sachs, Jeffrey: Der Ukraine-Krieg wurde provoziert: Warum das für den Frieden zentral ist. Telepolis, 29.5.2023, https://www.telepolis.de/features/Der-Ukraine-Krieg-wurde-provoziert-Warum-das-fuer-Frieden-zentral-ist-9066817.html
16 Sakwa, Richard. The Lost Peace. How the West Failed to Prevent a Second Cold War. New Haven u. London 2023; Sakwa, Richard. Frontline Ukraine. Crisis in the Borderlands. London 2016
17 Baud, Jacques. The Russian Art of War. How the West Led Ukraine to Defeat. Paris 2024; Baud, Jacques. Ukraine entre Guerre et Paix. Paris 2023; Baud, Jacques. Opération Z. Paris 2022
18 Todd, Emmanuel. La Défaite de l’Occident. Paris 2023. Todd, Emmanuel: Deutschland entscheidet, ob in der Ukraine Frieden einkehrt. Berliner Zeitung vom 21.7.2024, https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/emmanuel-todd-deutschland-wird-entscheiden-ob-in-der-ukraine-frieden-einkehrt-li.2236539; Todd, Emmanuel. La Défaite de l’OTAN sera une Victoire pour l’Europe. Le Journal du Dimanche, 14.1.2024, https://www.lejdd.fr/international/emmanuel-todd-au-jdd-la-defaite-de-lotan-sera-une-victoire-pour-leurope-141189; Todd, Emmanuel. La Troisième Guerre Mondiale a commencé. Le Figaro.13.1.2023, https://www.lefigaro.fr/vox/monde/emmanuel-todd-la-troisieme-guerre-mondiale-a-commence-20230112
19 Mearsheimer, John J.. Wer hat den Ukraine-Krieg verursacht? Globalbridge, 7.9.2024, https://globalbridge.ch/wer-hat-den-ukraine-krieg-verursacht/?utm_source_platform=mailpoet
21 Atkinson, Rodney. The Ukraine Sacrifice – Kursk Invasions Hastens Ukraine Defeat, Boris Johnson’s Disastrous Legacy, War Crimes in Kursk. Freenations vom 9.9.2024, https://freenations.net/the-ukraine-sacrifice-kursk-invasion-hastens-ukraine-defeat-johnsons-disastrous-legacy-war-crimes-in-kursk/; vgl. dagegen die niedrigeren Zahlen bei: ualosses.org/en/soldiers/; «It will be a shock»: Ukraine lost 500,000 Soldiers in War so far, nearly 30,000 per Month: Lutsenko Claims. The Eurasian Times, 7.1.2024, https://www.eurasiantimes.com/it-will-be-a-shock-ukraine-lost-500000-soldiers-in-war/ Kiews Ex-Generalstaatsanwalt: Schon eine halbe Million Ukrainer im Krieg gefallen. Die Weltwoche, 13.1.2024, https://weltwoche.ch/daily/kiews-ex-generalstaatsanwalt-schon-eine-halbe-million-ukrainer-im-krieg-gefallen-von-selenskyjs-regierung-fordert-er-sie-sollten-sagen-wie-viele-ukrainer-gestorben-sind/
22 Rötzer, Florian. Hat Putin unbeabsichtigt die Zahl der russischen Verluste im Krieg genannt? Overton-Magazin, 8.6.2024, overton-magazin.de/top-story/hat-putin-unbeabsichtigt-die-zahl-der-russischen-verluste-im-krieg-genannt/
22a https://rutube.ru/video/404f1e95d0fdb318d174cd1d48abb0d5/
23 The Prize of Bakhmut. We reveal the staggering toll of Russias’s bloodiest battle since WW2 and Wagner’s inmates recruited to fight it. Mediazona. 10.6.2024, https://en.zona.media/article/2024/06/10/wagner; Russian losses in the war with Ukraine. Mediazona count, updated. Mediazona. 13.9.2024, https://en.zona.media/article/2022/05/20/casualties_eng; The art of war. The Kremlin is hiding Russia’s death toll in Ukraine – a small regional museum collection helps expose it. Mediazona. 13.8.2024, https://en.zona.media/article/2024/08/13/artsalsk
24 Röper, Thomas. Warum die Meldung der Nato, über 600 000 Russen seien gefallen oder verwundet, falsch ist, Anti-Spiegel. 30.10.2024, https://anti-spiegel.ru/2024/warum-die-meldung-der-Nato-ueber-600-000-russen-seien-gefallen-oder-verwundet-falsch-ist/
26 Ukraine-Krieg: Tote und Verletzte in der ukrainischen Zivilbevölkerung laut Zählungen der UN. Stand: 31. Dezember 2024, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1297855/umfrage/anzahl-der-zivilen-opfer-durch-ukraine-krieg/
27 Batcho, Kevin. Desperately Seeking Nato Intervention. Ukraine is marooned in Russia’s Kursk region’s archipelago of attrition while Russia breaks through the Donbass impasse and into open operational space towards the Dnieper River. Beyond the Waste Land, 29.8.2024, www.beyondwasteland.net/p/desperately-seeking-Nato-intervention
28 Kujat, Harald. Die Lage der Ukraine ist kritisch. Nato-General a.D. Harald Kujat über weitreichende Waffen, die Eskalation des Westens und Russlands Toleranzschwelle. Interview mit Roman Zeller. Die Weltwoche, 13.9.2024, https://weltwoche.de/daily/video/die-lage-der-ukraine-ist-kritisch-Nato-general-a-d-harald-kujat-ueber-weitreichende-waffen-die-eskalation-des-westens-und-russlands-toleranzschwelle/
29 Zahlen verschiedener Telegram-Kanäle.
30 Kujat, Harald. Die Lage der Ukraine ist kritisch. Nato-General a.D. Harald Kujat über weitreichende Waffen, die Eskalation des Westens und Russlands Toleranzschwelle. Interview mit Roman Zeller. Die Weltwoche, 13.9.2024, https://weltwoche.de/daily/video/die-lage-der-ukraine-ist-kritisch-Nato-general-a-d-harald-kujat-ueber-weitreichende-waffen-die-eskalation-des-westens-und-russlands-toleranzschwelle/
31 Hett, Felix. Der Ukraine läuft die Zeit davon. Interview IPG-Journal, 13.2.2025, https://www.ipg-journal.de/interviews/artikel/der-ukraine-laeuft-die-zeit-davon-8090/?utm_campaign=de_40_20250213&utm_medium=email&utm_source=newsletter
33 Le Sommier, Régis. To the Last Ukrainian: An American War. The Story of a War Reporter. Paris 2023
34 Baab, Patrik. Auf beiden Seiten der Front. Meine Reisen in die Ukraine. Frankfurt: Fifty-Fifty 2023 (5)
35 Katchanovski, Ivan. The Maidan Massacre in Ukraine. The Mass Killing that Changed the World. Ottawa 2024, https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-67121-0
36 Petro, Nikolai N. The Tragedy of Ukraine. What Classical Greek Tragedy Can Teach Us About Conflict Resolution. Berlin u. Boston 2023, S. 102
37 Schröter, Lothar. Der Ukraine-Krieg. Die Wurzeln, die Akteure und die Rolle der Nato. Berlin 2024, S. 117f.
38 Katchanovski, Ivan. Maidan-Massaker in der Ukraine: Ein Insider-Job? Neutrality Studies, 13.9.2024, https://www.youtube.com/watch?v=rZFgBs2cExs
39 Schröter, a.a.O., S. 173. Zur Gründung von Wagner siehe Ritter, Scott: Wagner, I hardly knew ye. Scott Ritter Extra, June 28, 2023, https://www.scottritterextra.com/p/wagner-i-hardly-knew-ye?publicat
40 zit. n. Schröter, a.a.O., S. 172f.
41 zit. n. Schröter, a.a.O., S. 169f.
42 Baab, a.a.O., S. 183
43 Schröter a.a.O., S. 175
45 Baud, Jacques. Putin – Herr des Geschehens? Frankfurt a.M. 2023
46 Schröter, a.a.O., S. 141f.
47 Schröter, a.a.O., S. 185
48 Ritter, Scott. Merkel Reveals West’s Duplicity. Consortium News, 9.12.2022, https://consortiumnews.com/2022/12/05/scott-ritter-merkel-reveals-wests-duplicity/
49 Schröter, a.a.O., S. 173
50 «So first, if you look at the trajectory of the conflict, because we saw it coming, we were able to make sure that not only were we prepared and allies and partners were prepared, but that Ukraine was prepared. We made sure that well before the Russian aggression happened, starting in September and then again December, we quietly got a lot of weapons to Ukraine to make sure that they had in hand what they needed to defend themselves, things like Stingers, Javelins that were instrumental in preventing Russia from taking Kyiv, from rolling over the country, erasing it from the map, and indeed pushing the Russians back.» Garcia-Navarro, Lulu. Antony Blinken insists he and Biden made the right calls. New York Times Magazine, 4.1.2025, https://www.nytimes.com/2025/01/04/magazine/antony-blinken-interview.html
51 Staudt, Dieter. Die Ukraine wollte den Krieg mit Russland. Apolut, 11.2.2025, https://apolut.net/die-ukraine-wollte-den-krieg-mit-russland/
51a Varga, György. 30 Jahre Budapester Memorandum: Die nukleare Abrüstung der Ukraine im Rückblick. Nachdenkseiten, 5.12.2024, https://www.nachdenkseiten.de/?p=125695
52 Schröter, a.a.O., S. 188f.
53 Stoltenberg, Jens: North Atlantic Treaty Organization, Opening Remarks, 7. September 2023, www.Nato.int/cps/en/Natohq/opinions_218172.htm
54 Mearsheimer, John J. Wer hat den Ukraine-Krieg verursacht? Globalbridge, 7.9.2024, https://globalbridge.ch/wer-hat-den-ukraine-krieg-verursacht/?utm_source_platform=mailpoet
55 zit. n. Schröter, a.a.O., S. 134f.
56 Diesen, Glenn. Hegseth replaces Deception with Reality. Substack, 13.2.2025, https://glenndiesen.substack.com/p/hegseth-replaces-deception-with-reality?publication_id=2670149&post_id=157055942&isFreemail=true&r=9vuj8&triedRedirect=true; Panchenko, Diana. The Inevitable: The Shocking Truth behind the War in Ukraine. London 2024
57 Rötzer, Florian. Im Ukraine-Krieg geht es weniger um Freiheit als um die Ausbeutung kritischer Bodenschätze. Overton-Magazin, 12.2.2025; https://overton-magazin.de/top-story/im-ukraine-krieg-geht-es-weniger-um-freiheit-als-um-die-ausbeutung-kritischer-bodenschaetze/
58 Entous, Adam; Schwirtz, Michael. The Spy War: How the C.I.A. secretly helps Ukraine fight Putin. The New York Times, 25.2.2024, https://archive.ph/p8GVp
59 Nach Angaben der britischen Zeitung Guardian vom 28. April hatte Johnson Selenski dazu gedrängt, keine Zugeständnisse an Putin zu machen. Die Ukrajinska Prawda berichtete am 5. Mai 2022, dass Johnson zwei klare Botschaften überbracht habe: Putin sei ein Kriegsverbrecher, und es solle Druck auf ihn ausgeübt, nicht aber mit ihm verhandelt werden. Zudem signalisierte Johnson, dass der Westen, selbst wenn die Ukraine zu Vereinbarungen bereit sei, nicht mit Putin verhandeln wolle. Das Primat des militärischen Sieges vor der Diplomatie: Die Neue Zürcher Zeitung meldete am 12. April, dass die britische Regierung unter Johnson auf einen militärischen Sieg der Ukraine setze. Die damalige britische Aussenministerin Liz Truss und andere konservative Unterhausabgeordnete sprachen sich für eine massive Ausweitung der militärischen Unterstützung aus. Kritische Stimmen wie die des Guardian-Kolumnisten Simon Jenkins, warnen jedoch vor den Risiken einer solchen Politik und werfen der britischen Regierung vor, den Krieg für eigene politische Ambitionen zu nutzen. Die USA und ihre strategischen Interessen im Ukraine-Krieg: Die geopolitische Dimension des Konflikts wurde noch deutlicher, als US-Verteidigungsminister Lloyd Austinnach seinem Besuch in Kiew am 25. April 2022 erklärte, die USA sähen in dem Krieg eine Gelegenheit, Russland langfristig militärisch und wirtschaftlich zu schwächen.
63 Schröter, a.a.O., S. 142f.
66 Sakwa, Richard. Frontline Ukraine. Crisis in the Borderlands, London 2016, S. 227
67 Berglöf, Erik; Rashkovan, Vladyslav. Reconstructing and Reforming Ukraine. LSE Public Policy Review, 2023, S. 2, https://ppr.lse.ac.uk/articles/10.31389/lseppr.95; Ukraine Rapid Damage and Needs Assessment. February 2022 – February 2023. World Bank Group, März 2023, https://documents1.worldbank.org/curated/en/099184503212328877/pdf/P1801740d1177f03c0ab180057556615497.pdf
68 Dudik, Andrea; Safronova, Olesia; Sykes, Patrick; Wass, Sanne. The $1 Trillion Race to Rebuild Ukraine is Slowly Getting Going. Bloomberg, 9.3.2024
70 Röper, Thomas. Was wäre, wenn die EU nicht Krieg, sondern die Menschen als Priorität gehabt hätte […]? Anti-Spiegel, 9.2.2025, https://anti-spiegel.ru/2025/was-waere-wenn-die-eu-nicht-krieg-sondern-die-menschen-als-prioritaet-gehabt-haette/
74 Russia and US eye joint Arctic energy projects after Saudi talks. Politico, 18.2.2025, https://www.politico.eu/article/russia-us-saudi-arctic-energy-rdif-ukraine-russia-capital/
75 Martyanov, Andrei. America’s Final War. Atlanta 2024, S. 50, 74
76 «Never in the history of warfare has the gap between the capacity of the tools of destruction of opposing forces been as massive as it is today between Nato and Russia. Moreover, this gap concerns not just technology of Russia and Nato, but the operational concepts that give birth to those weapon systems. It is the latter which features so heavily in any assessment of whether Western forces will ever be able to catch up. The carrier-centric navies are in their final days of existence as a viable force on the 21st century global battlefield.» Martyanov, Andrei, America’s Final War. Atlanta 2024, S. 166; «Our probability models for defense against missile attacks show that U.S. THAAD and Aegis systems cannot be relied on to counter Oreshnik and are unlikely to achieve reliability within the next 15 years.» General Herbert McMaster, Former US National Security Advisor. Assessment of Russian Oreshnik missile system, January 9, 2025. Centre for War Studies, 12.1.2025
77 Butterwegge, Christoph. Der Traum vom Fahrstuhl nach oben. Süddeutsche Zeitung, 5.9.2024, https://www.sueddeutsche.de/kultur/ungleichheit-und-afd-christoph-butterwegge-lux.CPCvVkKUHBPVEiGgXQytFk?reduced=true
78 https://www.wiwo.de/politik/ausland/ukraine-krieg-infografik-welche-laender-russland-sanktionieren-und-wer-sich-enthaelt/28312140.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Sanktionen_gegen_Russland_seit_dem_%C3%9Cberfall_auf_die_Ukraine#T%C3%BCrkei
79 Petro, Nikolai. The Proxy-War is Collapsing. Neutrality Studies, 2.3.2024, https://www.youtube.com/watch?v=4bt9sAo8cME
88 https://x.com/LindseyGrahamSC/status/1832160396846776710
89 Schröter, a.a.O., S. 147
90 Zum tendenziellen Fall der Profitrate s. Nachtwey, Oliver. Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne. Frankfurt a. M. 2016 (3), S. 53–63
97 Ritter, Scott. Trump’s Call with Putin. Project Ukraine is over. Interview for Jamarl Thomas, 14.2.2025, @ScottRitter
98 Kronauer, Jörg. Auf Abstand. Konzentration auf den finalen Kampf gegen China: Die USA drehen Europa den Rücken zu. Dort will man die Reihen schliessen. Junge Welt, 15.2.2025, https://www.jungewelt.de/artikel/494035.weltpolitik-auf-abstand.html
99 Ukraine-Friedenstruppe: Starmer prescht vor, Scholz bremst. Wirtschaftswoche, 17.2.2025, https://www.wiwo.de/politik/ausland/ukraine-krieg-ukraine-friedenstruppe-starmer-prescht-vor-scholz-bremst/30215904.html. Der russische Aussenminister Lawrow: «Any appearance by armed forces under some other flag does not change anything. It is of course completely unacceptable.» Debusmann, Bernd; Wright, George; Pomeroy, Gabriela. Trump says Ukraine could have made a deal earlier. BBC Newsm 19.2.2025, https://www.bbc.com/news/articles/cd0n5e1pdz9o
100 Diesen, Glenn. Hegseth replaces Deception with Reality. Substack, 13.2.2025, https://glenndiesen.substack.com/p/hegseth-replaces-deception-with-reality?publication_id=2670149&post_id=157055942&isFreemail=true&r=9vuj8&triedRedirect=true
102 Pancevski, Bojan; Ward, Alexander. Vance Wields Threat of Sanctions, Military Action to Push Putin into Ukraine Deal. The Wall Street Journal, 14.2.2025, https://www.wsj.com/world/europe/vance-wields-threat-of-sanctions-military-action-to-push-putin-into-ukraine-deal-da9c18ac?mod=hp_lead_pos1
103 «The threat that I worry the most about vis-à-vis Europe is not Russia. It’s not China, it’s not any other external actor. And what I worry about is the threat from within. The retreat of Europe from some of its most fundamental values, values shared with the United States of America. Dismissing people, dismissing their concerns […], shutting down media, shutting down elections […] protects nothing. It is the most surefire way to destroy democracy […]. If you’re running in fear of your own voters, there is nothing America can do for you.» McLeary, Paul; Cienski, Jan; Lynch, Suzanne; Gramer, Robbie. JD Vance attacks Europe over migration, free speech. Politico, 14.2.2025, https://www.politico.eu/article/us-vice-president-jd-vance-attack-europe-migration-free-speech/?utm_source=email&utm_medium=alert&utm_campaign=JD%20Vance%20attacks%20Europe%20over%20migration%2C%20free%20speech
104 Affront auf der Münchner Sicherheitskonferenz. JD Vance trifft Merz – nicht aber Scholz. Tagespiegel, 14.2.2025, https://www.tagesspiegel.de/internationales/affront-auf-der-munchner-sicherheitskonferenz-jd-vance-trifft-merz–nicht-aber-scholz-13201645.html; JD Vance attacks Europe over migration, free speech. Politico, 14.2.2025, https://www.politico.eu/article/us-vice-president-jd-vance-attack-europe-migration-free-speech/?utm_source=email&utm_medium=alert&utm_campaign=JD%20Vance%20attacks%20Europe%20over%20migration%2C%20free%20speech
105 Rügemer, Werner. Nato im Kanzleramt? Nachdenkseiten, 13.2.2025, https://www.nachdenkseiten.de/?p=128643
106 Staab, Philipp. Digitaler Kapitalismus. Markt und Herrschaft in der Ökonomie der Unknappheit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2020(2), S. 282–286
107 Wolin, Sheldon S. Umgekehrter Totalitarismus. Faktische Machtverhältnisse und ihre zerstörerischen Auswirkungen auf unsere Demokratie. Frankfurt a. M. 2023
108 Engels, David. Auf dem Weg ins Imperium. Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der römischen Republik. Historische Parallelen. Berlin u. München 2023
109 Escobar, Pepe. The crisis-ridden U.S. empire wants to take the world down with it in nuclear flames. Strategic Culture Foundation, 6.9.2024, https://strategic-culture.su/news/2024/09/06/crisis-ridden-us-empire-wants-to-take-world-down-with-nuclear-flames/
110 President Trump says he wants to work with China and Russia on the issue of «slowing down, stopping and reducing nuclear weapons». Trump went on to declare that «there’s no reason for us to be building brand-new nuclear weapons […]. We already have so many you can destroy the world 50 times over, 100 times over». He also said he would urge Russia and China to join him in cutting their respective military budgets by half. Ritter, Scott. Disarmament in a time of Chaos. Substack, 14.2.2025
111 Lancaster, Patrick. Russia and the U.S. Hold Peace Negotiations on Ukraine in Saudi Arabia: What You Need to Know. Substack, 19.2.2025, https://substack.com/@patricklancasternewstoday/note/c-94555937
112 Berger, Jens. Billionenschulden für Waffen – und der Wähler darf es noch nicht wissen. Nachdenkseiten, 18.2.2025, https://www.nachdenkseiten.de/?p=128869
113 «Nato has lost the proxy war in Ukraine, and the US aims to hand over the pending disaster to the Europeans. Trapped by their own rhetoric and ideology, the Europeans have accepted to go down with the ship.» Diesen, Glenn, X, 19.2.2025, https://x.com/Glenn_Diesen/status/1892101375921623410
114 Baerbock und Merz: Deutschland soll «Taurus» an Kiew liefern. Transition News, 16.2.2025, https://transition-news.org/baerbock-und-merz-deutschland-soll-taurus-an-kiew-liefern
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Patrick Baab
… ist Politikwissenschaftler und Publizist. Seit 25 Jahren berichtet er aus Russland, aber auch aus Grossbritannien, dem Balkan, Polen, dem Baltikum und Afghanistan. Er hat verschiedene Bücher geschrieben, darunter «Im Spinnennetz der Geheimdienste. Warum wurden Olaf Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet» (2017), «Recherchieren. Ein Werkzeugkasten zur Kritik der herrschenden Meinung» (2022), «Auf beiden Seiten der Front» (2023) und «Propaganda-Presse. Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben» (2024). Mehr Informationen gibt es auf seiner Homepage. Der hier abgedruckte Text ist die überarbeitete Version eines Vortrages, den Patrik Baab am 15. Februar 2025 vor Lesern von Zeit-Fragen hielt. Der Text erschien zuerst in den Zeit-Fragen.
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