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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Infosperber.ch, einer Nachrichten- und Informationsplattform aus der Schweiz. Den ersten Teil dieser Artikelreihe finden Sie hier. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien!
Einmischung in andere Länder? USA gegen Russland/UdSSR (2)
25. Juli 2018
von Urs P. Gasche
Die USA intervenierten seit 1946 81x, der Kreml 36x im Ausland und beeinflussten Wahlen. Die Empörung in den USA ist scheinheilig.
Ein erster Teil zeigte auf, dass fast alle Verunglimpfungen Hillary Clintons und fast alle Gerüchte und Lügen über die Präsidentschaftskandidatin während des Wahlkampfs nicht aus Quellen in Russland stammten, sondern von fundamentalistischen und rechtsextremen Gruppierungen sowie vom Trump-Umfeld in den USA (z.B. Brad Parscale oder Vincent Harris).
Über die Wahlbeeinflussung der Russen «können Insider nur müde lächeln», schrieb New-York-Korrespondent Andreas Mink am 4. März in der «NZZ am Sonntag». Denn: «Die wahren Profis dieses Metiers sind die Amerikaner selbst».
Der NZZ-Korrespondent zitierte eine Statistik des Politologen Dov H. Levin vom «Institute for Politics and Strategy» der Carnegie-Mellon Universität in Pittsburgh. Levin hatte in seiner Doktorarbeit die Wahleinmischungen der USA sowie der UdSSR und von Russland zwischen 1946 und 2000 dokumentiert. Sein Fazit:
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Die USA haben mindestens 81-mal bei Wahlen im Ausland interveniert.
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Der Kreml hat 36-mal bei Wahlen im Ausland interveniert.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die USA seit dem Zweiten Weltkrieg die Grossmacht Nummer eins sind und ihre Vormacht auf der halben Weltkugel verteidigen. Die UdSSR und später Russland dagegen waren und sind mit Abstand Grossmacht Nummer zwei und sicherten ihre Vormacht vor allem im weiteren, allerdings grossen geografischen Umfeld ab.
Die massivsten Eingriffe der Sowjetunion auf Machtverhältnisse im Ausland waren das militärische Eingreifen mit Panzern 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei.
In jüngster Zeit versuchte Russland, die Wahlen in der gesamten Ukraine zu beeinflussen und organisierte Referenden auf der Krim und in der Ostukraine – ohne ausländische Beobachter. Die dortigen Bevölkerungen stimmten immer russlandfreundlich. Seit den Referenden schlug Russland die Ukraine wieder zu Russland und kontrolliert politisch und militärisch die Ostukraine. Das verstösst gegen bestehende internationale Verträge.
Die Geschichte massiver Einflussnahme und Einflussversuche der USA im Ausland reicht in jüngerer Zeit ebenfalls von der Ukraine über Osteuropa, den Balkan, Ägypten, Südkorea, Taiwan, Japan, Indien bis Pakistan, Venezuela, Kolumbien, Mexiko und anderen südamerikanischen Staaten.
Bevor die USA in den Ländern Afghanistan, Irak, Libyen, Kosovo und Jemen militärisch intervenierten, hatten sie diese Länder im Innern jeweils aktiv destabilisiert.
Die USA haben in Drittländern gegenwärtig rund 750’000 US-Militärs stationiert. Sowohl die USA als auch Russland setzen weltweit zusätzlich Privatarmeen ein.
Nicht nur Geheimdienste greifen in die Politik fremder Staaten ein, sondern auch grosse private Konzerne, unter anderem mit grosszügigen Spenden an Parteien, Kandidaten und für Wahlkämpfe.
US-Organisationen von Abtreibungsgegnern, darunter die «EMC FrontLine Pregnancy Centers», versuchten vergeblich via Facebook, die Volksabstimmung in Irland über das Abschaffen des Abtreibungsverbots zu beeinflussen.
Propagandasender hüben und drüben
Bereits seit Jahrzehnten senden die von der US-Regierung finanzierten Sender «Radio Liberty» und «Radio Free Europe» oder «Radio Free Asia» in rund 25 Sprachen von Russland, Osteuropa über den Mittleren Osten bis nach Zentralasien – auch übers Internet. Sie verbreiten auch TV-Programme.
Unabhängig davon finanzieren US-Geheimdienste Fernsehbeiträge für staatliche und private Sender.
Andern Ländern sprechen die USA das gleiche Recht ab. Die einseitige Berichterstattung des russischen Staatssenders «RT» wird von der US-Regierung als dreiste Einmischung dargestellt, gegen die man sich wehren müsse. «RT»-Journalisten sind als «ausländische Agenten» an Pressekonferenzen im Weissen Haus nicht mehr zugelassen. Twitter hat russische Firmen von der Werbung ausgeschlossen.
Als Gegenmassnahme behandelt die russische Regierung die US-Sender «Voice of America» und «Radio Free Europe», die zusammen auch den TV-Kanal «Current Time» für Russland produzieren, unterdessen ebenfalls als «ausländische Agenten». Das verpflichtet diese Sender, ihre Finanzierung offen zu legen und alle TV-Sendungen mit dem Wort «Agent» zu versehen.
US-Einmischungen: Von Propaganda bis zum militärischen Eingreifen
Angesichts der vielen groben Einmischungen der USA in ausländische Wahlen, kann man über einzelne Kontakte von Russen mit dem Trump-Umfeld, über russische Propaganda-News in Social Media sowie über das Hacken eines Computer-Netzwerks der Demokraten vor den letzten Präsidentenwahlen in den USA tatsächlich, wie der NZZ-Korrespondent feststellte, «nur müde lächeln».
Hier eine unvollständige Auflistung von vorwiegend militärischen Einmischungen der USA, denen fast immer vergebliche Einmischungen mit Propaganda und mit Finanzierungen von Oppositionsgruppen vorangegangen waren:
- 2013: Nach Angaben von Victoria Nuland (7’40“), «Assistant Secretary of State» im US-Aussenministerium, unterstützten die USA von 1991 bis 2013 die Opposition in der Ukraine mit fünf Milliarden Dollar. 2013 mischte sich US-Senator John McCain auf der Rednerbühne auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew ein.
- 2003: Die USA besetzen mit einer Koalition den Irak militärisch und beeinflussen die darauf folgenden Wahlen massiv.
- 2001: Die USA intervenieren mit der Nato in Afghanistan. Bisherige Ausgaben für Militär, innenpolitische Beeinflussung und Wiederaufbau übersteigen 750 Milliarden Dollar.
- 1999 Jugoslawien: US-Luftangriffe mit der Nato – ohne Mandat der Uno.
- 1989 Panama: US-Militärinvasion mit 24’000 Soldaten. Sturz von Manuel Noriega. U.a. für den freien Zugang zum Panama-Kanal. Beeinflussung der darauf folgenden Wahlen.
- 1983 Grenada: Die USA verbreiten Lügen, um einen Vorwand zu haben. Dann besetzen sie diese Karibikinsel militärisch, weil den USA die dortige Regierungspolitik nicht passte.
- 1978 Italien: Die CIA ist höchstwahrscheinlich zusammen mit andern Geheimdiensten und der Geheimloge P2 an der Entführung und Ermordung des Nato-kritischen Spitzenpolitikers Aldo Moro beteiligt (NZZ 8.5.2018).
- 70er und 80er Jahre: Die CIA unterstützt die «Operation Condor», welche den diktatorischen Militärregierungen in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay verhalf, Oppositionelle zu verfolgen, zu entführen und zu töten.
- 1973 Chile: CIA ist treibende Kraft beim Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende in Chile und Unterstützung einer Militärdiktatur.
- 1970 Kambodscha: Mit Unterstützung der USA putscht sich General Lon Nol an die Macht.
- 1965 Indonesien: Die CIA unterstützt das indonesische Militär, einen Massenmord zu begehen an Sympathisanten der KP und an chinesischstämmigen Bürgern .
- 1962 Südafrika: Der CIA verrät den Aufenthaltsort von Nelson Mandela an die südafrikanische Polizei, so dass er verhaftet werden konnte .
- 1961 Kuba: US-Invasion in der Schweinebucht von Kuba.
- 1961 Kongo: Der CIA stürzt Patrice Lumumba.
- 1958 Libanon: Landung von US-Truppen in Beirut.
- 1954 Guatemala: Von der CIA gesteuerter Putsch und Sturz des gewählten Präsidenten Jacobo Arbenz.
- 1953 Iran: Von der CIA herbeigeführter Sturz des iranischen Premierministers Mohammad Mossadegh, nachdem dieser Ölfelder verstaatlichte. Nachher helfen die USA mit manipulierten Wahlen dem Schah, seine Gewaltherrschaft auszubauen.
- 1948 Italien. Die CIA gibt über 10 Millionen damalige Dollar aus, um die italienischen Wahlen zu beeinflussen. In der Folge finanziert der CIA viele Jahre lang die Christlich-Demokratische Partei.
Neben insgesamt 81 Einmischungen der USA im Zeitraum 1946 bis 2000 hat sich auch die UdSSR/Russland nach der Statistik Levins insgesamt 38-mal bei Wahlen im Ausland massiv eingemischt.
Es geht um Einfluss und Macht, nicht um Ideologie
Grossmächte versuchen, in ihrer Nachbarschaft keine feindlichen Aktivitäten zu dulden und ihre Einflusssphäre auch auf entferntere Länder auszudehnen. Zu diesem Zweck hofieren und unterstützen sie hemmungslos auch Diktaturen. Die USA heute beispielsweise in Saudiarabien, den Arabischen Emiraten, Katar, Ägypten oder Pakistan.
Russland unterstützt beispielsweise die Regimes in Weissrussland, Kasachstan, Turkmenistan, der autonomen Republik Tschetschenien, Syrien, Venezuela.
Fazit: Die USA intervenierten seit dem Zweiten Weltkrieg häufig im Ausland und haben viele Wahlen aktiv beeinflusst, oft mit Erfolg. Die gegenwärtige Empörung über – vergleichsweise – wenige russische Tweets, Posts, Facebook-Inserate, über das Hacken von E-Mails und den in den USA wenig gesehenen Sender «RT» soll den Demokraten im Herbst Stimmen bringen. Die Empörung schürt auch allgemein die Stimmung gegen den «Erzfeind» Russland und lenkt von grösseren hausgemachten Problemen ab.
Urs P. Gasche
… ist Redakteur bei der journalistischen Online-Zeitung Infosperber.ch. Der Infosperber konkurriert nicht mit großen Medienportalen, er ergänzt sie. Die Plattform hat sich als Ziel gesetzt, allein nach gesellschaftlicher oder politischer Relevanz zu gewichten. Der Infosperber sieht, was andere übersehen.
Nun, das behandelt die Taten vergangener Zeiten, insbesondere während des Kalten Krieges. Wohin aber entwickelt sich die Weltpolitik? Es ist sicher nicht richtig, was Moskau und Washington getan haben und tun werden, aber was ist mit Paris, London, Berlin und Brüssel? Hat sich die EU etwa seit ihrer Gründung zu einem Garanten weltweiten Friedens entwickelt? Laut SIPRI haben die Waffenexporte stärker zugenommen als in Russland und den USA.
Ich halte es für falsch, die selben Fehler anderer zu wiederholen. Man sollte zuerst die eigene Politik überdenken und nicht die Verfehlungen Russlands und der USA als Grund für die eigene moralische Überlegenheit hernehmen. Das ist übrigens genau das, worauf meiner Erfahrung nach die chinesische Propaganda fußt.